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Februar 2008

5 Oscars für Berlinale Filme

Man muss Dieter Kosslick eines lassen: einen guten Draht nach Hollywood hat er. Gleich fünf Oscars gingen an Filme, die dieses oder letztes Jahr im Wettbewerb der Berlinale liefen. Daniel Day-Lewis, der vor zwei Wochen noch eine Massenhysterie am Potsdamer Platz ausgelöst hat, bekam den Oscar „Bester Hauptdarsteller“ für seine Rolle als Daniel Planview in "There will be blood". Das neue Werk von Paul Thomas Anderson wurde auf der letzten Berlinale von den Kritikern als Aspirant für den Goldenen Bären gehandelt, bekam aber "nur" den Silbernen Bären für die Beste Regie. Zum Trost gab es gestern noch einen Extra Oscar für die beste Kameraarbeit. Marion Cotillard, die letztes Jahr trotz ihrer herausragenden Leistung in dem Eröffnungsfilm der Berlinale 2007 "La vie en Rose" keinen Bären mitnehmen durfte, bekam gestern den Oscar „Beste Hauptdarstellerin“ für ihre Rolle der Edith Piaf (Ätsch!!!). Wer Marion Cotillard als Edith Piaf und gestern als Marion Cotillard gesehen hat, der muss einsehen, dass "La vie en rose" auch für das "Makeup" mit einem Oscar ausgezeichnet werden musste. Ebenfalls im letzten Jahr auf der Berlinale lief der österreichische Film "Die Fälscher" von Stefan Ruzowitzky. Er gewann gestern den Oscar für den besten ausländischen Film.

Bärenvergabe

Goldener Bär

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(Quelle: Berlinale)

"Tropa de Elite" von José Padilha

Weitere Bären:

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Tropa de Elite von José Padilha

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Brasiliens alltäglicher Bürgerkrieg

„Tropa de Elite“ zeigt die reguläre Polizei als einen schlecht bezahlten und korrupten Haufen - was sich mit der Wirklichkeit in Brasilien wohl weitgehend deckt. Die Mitglieder der Elitetruppe „BOPE“, eine Einheit irgendwo zischen SEK und GSG9, verdienen etwas besser als die normale Polizei und haben, zumindest was Korruption angeht, einen besseren Ruf. Sie sind die hochgerüsteten Stadtsoldaten in einem Land, dessen politische Klasse die armen Teile der Bevölkerung aufgegeben hat und nur noch als Bedrohung wahrnimmt. Und so zeigt der Film die BOPE im Straßenkampf mit den Drogenhändlern in den Favelas und auch die illegalen Methoden von Folter bis zu willkürlichen Erschießungen. Ein Offiziert ist immer kurz vor dem Nevenzusammenbruch, zwei junge Polizisten, wollen dagegen unbedingt in die BOPE aufgenommen werden.

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Das Schaulaufen....

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(Quelle: Berlinale)

...auf dem roten Teppich hat begonnen. In einer halben Stunde werden dann die Bären vergeben. Wir werden berichten.

Preise der "Unabhängigen" Jurys

Jedes Jahr, am Samstag kurz vor Ende der Berlinale, werden im familären Kreis die Preise der unabhängigen Jurys vergeben. In vielen Jahren waren sie auch wegweisend für die Vergabe der Bären am Abend des gleichen Tages. Dieses Jahr gingen die Preise u.a . an:

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Panorama Publikumspreis

Jenseits von Filmkritik und Jury Diskussionen hat jedes Jahr im Panorama das Publikum das Wort. Es ist schon bemerkenswert, wie vor jeder Vorstellung im Panorama u.a. von Sektionsleiter Wieland Speck die Zuschauer animiert werden, die Stimmkarten auszufüllen. Die prämierten Filme sind immer sehenswert und oft zeigte das Publikum mehr Kompetenz als prominent besetzte Jurys. Letztes Jahr hat Lucy Walkes "Blindsight" gewonnen. Dieses Jahr war die israelisch-deutsch-französische Co-produktion "Lemon Tree" am beliebtesten.

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Bärenrätsel

Da der Film Knut und seine Freunde nicht für den Berlinale Wettbewerb aktzeptiert wurde, ist ein Bär bereits aus dem Rennen. An wen werden aber die restlichen Bären vergeben? Was sind eure Tips?

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„Sharon“ von Dror Moreh

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Ethnografisches Portrait eines Stammesführers


Eine israelische Dokumentation über Sharon? Muss das sein? Das Besondere an dem Film von Dror Moreh ist, dass er Sharon sechs Jahre lang begleiten konnte. Aus hunderten Stunden Material machte er einen Dokumentarfilm, der erklären soll, warum Arik Sharon 2003 den Abzug aus dem Gazastreifen anordnete. Ausgerechnet Sharon, der größte Vorreiter und Unterstützer der Siedlerbewegung seit ihren Anfängen 1967. Ausgerechnet Sharon, als Verteidigungsminister für den blutigen Libanonfeldzug und die Morde von Sabra und Shatila mitverantwortlich.

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Kino und Kirche

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Filme können offenbar noch immer politische Debatten auslösen über die Offenheit einer Gesellschaft und Freiheit der Kunst. So auch zwei Filme auf der Berlinale, die in ihrem Heimatland Italien Unruhe stiften oder das politische System portraitieren und den nach wie vor erstaunlichen Einfluss der Kirchen auf Politik und Gesellschaft zeigen.
Wir haben ja in Deutschland auch unsere Bischöfe Dyba und Meissner - die ergrauten Herren äußern sich ebenfalls gern über Dinge, von denen sie wenig Ahnung haben dürften: Kunst, Vaterschaft, Familie, Sex, Homosexualität. Warum soll eigentlich jemand über die Regeln eines Spiels bestimmen können, das er selbst nicht spielt?

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"Be Kind Rewind" von Michel Gondry

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Mach deinen eigenen Film

Zwei Nerds arbeiten in einem Videoladen. Gähn. Das hat man nun wirklich schon zu oft gesehen, als dass daraus etwas Spannendes werden könnte. Aber halt, stopp: Diesmal hat sich das französische Wunderkind Michel Gondry („The Science of Sleep“) des Themas angenommen. Und genau deshalb ist dabei auch ein großartiger, vor Fantasie strotzender, herrlich abgedrehter Film entstanden. „Be Kind Rewind“ ist zugleich Jungskomödie, Liebeserklärung an die Kinomanie, anrührendes Neighbourhood-Märchen und eine Hommage an all die durchgeknallten Kreativen, die mit ihren irren Ideen den Bilder in unseren Köpfen das Fliege beibringen.

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Il y a longtemps que...von Phillippe Claudel

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Das Geräusch des Schlüsselbundes

Wie auch ein leiser Film ohne große Effekte nachhaltig beeindrucken kann, das zeigt Phillippe Claudel mit "Il y a longtemps que...". Erzählt wird die Geschichte von Juliette, die fünfzehn Jahre im Gefängnis verbracht hat. Während dieser Zeit hatte sie keinen Kontakt zu ihrer Familie, die nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Dennoch wird sie sofort nach ihrer Entlassung von ihrer jüngeren Schwester Leà abgeholt und in deren Familie aufgenommen. Obwohl sich beide Frauen eigentlich fremd sind, versucht Leà mit aller Kraft, eine neue Beziehung zu ihrer Schwester aufzubauen. Zwar bemüht sich auch Juliette allmählich um eine Annäherung, für sie ist aber der Gedanke unerträglich, das während ihrer gesamten Zeit im Gefängsnis alle anderen draussen ein normales Leben geführt haben, in dem sie in keiner Weise vorkam. Trotz dieses Geflechts aus Verletzungen und verdrängten Schuldgefühlen kommt es zu einer langsamen Annäherung der Schwestern.

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"Derek" von Isaac Julien

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Ich habe noch nie einen Film von Derek Jarman gesehen, aber Mitte der Neunziger tauchte der Name Derek Jarman immer wieder auf, sei es in Gesprächen mit Freunden, in Artikeln oder in Interviews mit Künstlern. Besonders faszinierte mich die Idee seines Films "Blue". Als Ausdruck für die Situation des damals durch seine HIV-Erkrankung fast erblindeten Jarman sieht man die ganze Zeit nur eine blaue Leinwand. Aus dem Off erklärt Jarman seine "Sicht" der Dinge. Seit Jarmans Tod 1994 ist das Werk des wegweisenden Künstlers langsam in Vergessenheit geraten. Ehemalige Mitstreiter von Derek Jarman, allen voran die Schauspielerin Tilda Swinton und der Regisseur Issac Julien, versuchen nun mit "Derek" dieser kulturellen Amnesie entgegenzuwirken.

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"Diorthosi" ("Correction") von Thanos Anastopoulos

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Der Film beginnt mit der Entlassung von Yorgos aus dem Gefängnis. Wie ein Fremdkörper bewegt er sich durch die chaotischen Straßen Athens. Er ist verschlossen, redet kaum, nur wenn er muss. Das Geheimnis seiner Tat, die ihn ins Gefängnis gebracht hat, trägt er in sich. Nicht durch Worte sondern durch das Zusammensetzen der verschiedenen Szenen des Films, kommt der Zuschauer diesem Geheimnis am Ende auf die Spur.

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"A Jihad for Love" von Parvez Sharma

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Der unter schwierigen Bedingungen gedrehte Dokumentarfilm von Parvez Sharma betrachtet die Lage von Schwulen und Lesben in völlig unterschiedlichen muslimischen Gemeinden in Ländern wie Südafrika, Iran oder der Türkei. Dabei zeichnet er ein bewegendes Bild von Menschen, die einzig aufgrund ihrer Liebesbeziehungen oder ihrer Sexualität ausgegrenzt und verfolgt werden. Erfreulicherweise tappt der Film in keine der Klischeefallen, die zahlreich am Wegesrand lauern.

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"Drifter" von Sebastian Heidinger

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Aufzeichnungen über Unsichtbare

Die meisten Filme handeln vom Leben. Sie kreieren fiktive Figuren und Situationen, die vielleicht ungewöhnlicher sind als das, was wir aus unserem Alltag kennen - aber in der Regel kann das Publikum das „gespielte Leben“ im Film nachvollziehen. Darin liegt ein wesentlicher Reiz des Kinos. Daneben gibt es eine kleinere Anzahl von Filmen, die sich mit Extremen beschäftigen: Dann geht es oft ums Überleben. Das Überleben ist das große Thema, aus dem zum Beispiel Action- und Kriegsfilme ihre Spannung ziehen. Die Emotionen, die in diesen Filme eine Rolle spielen, sind so grundlegend, dass es dem Publikum trotz der oft realitätsfernen Geschichten leicht fällt, sich mit den Protagonisten zu identifizieren. In dem Dokumentarfilm „Drifter“ zeigt Sebastian Heidinger etwas völlig Anderes: Den Alltag von Aileen (16), Angel (23) und Daniel (25), die in der Drogenszene des Berliner „Bahnhof Zoo“ im existenziellen Niemandsland zwischen Leben und Überleben treiben.

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"Die Dinge zwischen uns" von Iris Janssen

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Aufgepasst und mitgedacht!

Geneigte Leserin, geneigter Leser! Zu Beginn eine kleine Denksportaufgabe: Was ist das Wichtigste für einen guten Film? Denken Sie nach. In der Zwischenzeit erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte:

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"The Other Boylen Girl" von Justin Chadwick

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"This is England / What we're supposed to die for / This is England / And we're never gonna cry no more" - The Clash

Kurz gesagt geht es 110 Minuten ums Vögeln. Aber gezeigt wirds nicht, alles keusch wie es sich für einen Hollywood Film gehört.
Das Gepimper findet in schönen Kostümen und Schlössern statt, mal bei Kerzenlicht und knackendem Kaminfeuer, mal rücklings über den Schreibtisch ihrer Durchlaucht. Ziel des ganze Geraschel von Gewändern und Hermelinkragen ist einen Thronfolger zu zeugen. Das gelingt trotz mehrerer Frauen, die Heinrich besteigt, nicht. Und damit der die Tussis wieder loswerden kann, bricht er mit der Kirche, verjagt die eine Frau, lässt die nächste umbringen und die dritte darf am Leben bleiben. Letzere wird irgendwann die kleine rothaarige Elisabeth nach London schicken, damit sie 45 Jahre Königin von England sein kann, über die ja auch schon Kostümschinken gemacht wurden.

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"Ich liebe dich, ich töte dich" von Uwe Brandner

Subversion und Waldidylle

Es ist schön in dem bayerischen Dorf inmitten einer malerischen Waldlandschaft, sogar sehr schön. Schafe werden durchs Dorf getrieben. Die Buben sind kurzbehost, brav gescheitelt und gehen wie die Mädchen artig zur Schule. Der Pfarrer schlendert im vollen Ornat die Dorfstraße hinunter. Da kommt der junge Jäger mit seiner Flinte in Jeans und Lederjacke, lässig hat er einen toten Schäferhund geschultert. Den hängt er vor dem Bürgermeisterhaus auf, das gibt eine saftige Belohnung. Alles ist gut auf dem Land in Bayern sogar noch Anfang der Siebziger, oder?

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Caos Calmo (Stilles Chaos) von Antonello Grimaldi

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Die wartende Sphinx auf der Parkbank

Nach den Pleiten der letzten Jahre, endlich ein italienischer Film, der bewegt. Und da er erst eine halbe Stunde vor Mitternacht begann und mich die ganze Zeit wachhalten konnte, gilt das Kompliment doppelt.
Nanni Moretti spielt einen Mann, der plötzlich (im Film nach etwa drei Minuten!) seine Frau verliert. Unfähig zu trauern, geht er nicht mehr zur Arbeit als Chef in einen römischen Großkonzern, sondern verbringt nun die Tage auf einer Bank vor der Schule seiner kleinen Tochter. Er bringt sie hin, wartet bis die Schule aus ist, fährt mit ihr Heim, liest ihr vor. Während er wartet entwickelt sich in dem kleinen Park, in einem Café nebenan ein neuer Alltag, bestimmt von Begegnungen mit der Nachbarschaft beim Warten und Besuchen seiner Freunde und Familie in diesem, ja, Außenbüro. Das ist charmant, witzig und melancholisch in einer sehr gelungenen Mischung.

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"Restless" von Amos Kollek

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Ein jeder löffle seine Suppe allein

Gleich am Anfang bekommt Moshe richtig eins in die Fresse. Ganz nah dran ist die Kamera, als der ältere Mann von zwei arabisch sprechenden Jungs brutal zusammengeschlagen wird. Es geht irgendwie um ein Geschäft, das schief gelaufen ist, soviel bekommt man mit. Moshe wehrt sich nicht; er schleppt sich nur irgendwann in seine düstere Kellerwohnung im Village in New York und wischt sich das Blut aus dem Gesicht. Müde sieht er aus, dieser Moshe, und ein bisschen wie ein verwahrlosten Poet. Wo Amos Kollek bislang den Fokus auf zerbrechliche und meist sehr einsame Frauengestalten gelenkt hat, nimmt er sich in seinem neuen Film „Restless“ eine zerrüttete Vater-Sohn-Beziehung vor. Und voilà: Auch das kann er sehr eingängig erzählen.

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"Megane" (Glasses) von Naoko Ogigami

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Hurra! Wir sind im Urlaub!!!! Mitten im Berliner Winter im Cinestar 8. Das blaue Meer strahlt uns entgegen, wir spüren den Strand unter unseren Füssen und zu den entspannten Menschen möchten wir uns sofort dazugesellen. 90 Minuten leben wir ein Leben, das aus nicht vielmehr besteht als aus Morgengymnastik, viel gesundem japanischem Essen und Gespräche ohne viel Sinn.

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"Jesus liebt Dich" von Lilian Franck, Matthias Luthardt, Michaela Kirst, Robert Cibis

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Jesus was a Crowd Surfer

Berliner Olympiastadion, Menschenmassen, rhythmisches Klatschen, Sprechchöre... Kennt man, reicht trotzdem wieder nicht für drei Punkte. „Jesus-Jesus-Jesus!“. Halt. Die Hertha-Anhänger mögen ja verzweifelt sein, aber sie können nicht im Ernst glauben, dass Jesus sich für das gewöhnungsbedürftige Hauptstadt-Gekicke interessiert. Die, die wie Fußballfans aussehen, sind gar keine. Es sind evangelikale Christen, die aus aller Welt gekommen sind, um zur Weltmeisterschaft 2006 die Fans zu missionieren.

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"Sweet Food City" von Gao Wendong

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Draußen ist feindlich

Trotz ihres klangvollen Namens ist die Hochhaussiedlung "Sweet Food City" ungefähr der letzte Ort, an dem man gerne wohnen möchte. Zwischen Häusertrümmern, abbröckelnden Fassaden und Müllhalden gibt es hier vor allem eines im Überfluss: Jede Menge Dreck. Kaum vorstellbar, dass hier trotzdem Menschen leben. Von diesen Bewohnern erzählt der chinesische Regisseur Gao Wendong in seinem Film.

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"With Gilbert & George" von Julian Cole

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Dokumentarfilme über Künstler sind immer dann eine spannende Angelegenheit, wenn sie nicht nur das künstlerische Werk nachzeichnen, sondern auch dem Menschen jenseits seiner Kunst auf der Spur sind. Das ist bei dem Gilbert & George natürlich nicht so einfach, schließlich begreift das Künstlerduo, das insbesondere durch seine großformatigen Fotocollagen bekannt wurde, auch sein Leben selbst als Kunstwerk.

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"Filth and Wisdom" von Madonna

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In Cinema with Madonna

Vom besonderen Erlebnissgehalt des gestrigen Madonnawatchings ist an dieser Stelle ja schon ausführlich berichtet worden, deshalb nur soviel: Ja, es war schon toll, als Gemeinschaftserlebnis mit "ihr" in einem Kino zu sitzen, um dann als Teil einer riesigen Fangemeinde ihr Werk anschauen zu dürfen. Während der Filmvorführung erging es mir dann genauso, wie dem Pärchen neben mir, das sich ungefähr nach der ersten Hälfte des Films sehr überrascht zuflüsterte: "Du, der Film ist ja wirklich nicht schlecht". Das trifft es schon ziemlich genau.

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Madonna Happening: Berlinale turns wild

Nachdem ich beim Eingang zu der Pressekonferenz von Madonnas Film "Filth and wisdom" von der Meute der wartenden Journalisten fast zerquetscht worden wäre und nach zwei Stunden Warten und Sitzplatzverteidigung, stelle ich mir schon die Frage, ob die Wirkung des Berlinalefiebers nicht doch ein wenig schädlich ist. Als der Tross um Madonna aber endlich Einzug hält, werde ich für alles Leid entschädigt. Der Begeisterungspegel im Saal geht in den roten Bereich. Ohne auch nur ein Ton gesagt zu haben, wird Madonna von den Journalisten begrüßt wie nach einem besonders gelungenen Gig.

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"Bananaz" von Ceri Levy

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Ein echtes Jungsding

Comic-Figuren als Bandmitglieder mit Starallüren, auf Live-Konzerten sieht das Publikum eine große Leinwand, auf der diese animierten Charaktere wilde Abenteuer bestehen, und im Hintergrund spielen die „echten“ Musiker: das ist die geniale Idee von „Gorillaz“, einem leicht durchgeknallten Projekt des Blur-Sängers Damon Albarn und seines Kollegen Jamie Hewlett. Ceri Levy, wiederum ein Kumpel von Albarn und Hewlett, hat die Entwicklung der „Gorillaz“ über mehrere Jahre hinweg mit der Digicam begleitet und daraus eine wunderbare Dokumentation gebastelt. Unter dem Titel „Bananaz“ ist sie im Panorama zu sehen.

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Madonnawatching

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Für die Trendsportart Promiwatching finden sich immer mehr Anhänger. Am Zoopalast ist die Hölle los - Madonna kommt! Auf der Bühne sagt sie kurz ein paar Worte über ihren ersten Film. Gut, sagt sie, du bist schon Popstar, also fragen die Leute warum willst du auch noch einen Film machen? Es war ein langgehegter Wunsch: "And it became a mantra for me that dreams come true" sagt sie und wir staunen. Und dann ist auch noch der Film richtig kurzweilig (Kritik folgt..). Toll. Es gibt tatsächlich noch Stars ohne Peinlichkeitsfaktor.

Pressekonferenz zu "Kabei" mit Yoji Yamada

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Wenn Filme von Yoji Yamada auf der Berlinale aufgeführt werden, dann haben die anschließenden Pressekonferenzen immer etwas ehrfurchtsvolles. Der Respekt vor dem Werk des 76 jährigen japanischen Regisseurs liegt in der Luft. Verstärkt wurde diese Aura noch durch die Anwesenheit der Hauptdarstellerin Sayuri Yoshinaga und der Autorin Teruyo Nogami, deren autobiographische Geschichte "Requiem for a father" die Vorlage für "Kabei" bildete. Für die in Japan sehr populäre Schauspielerin Sayuri Yoshinaga ist "Kabei" bereits der 112ter Film. Teruyo Nogami ist Teil der japanischen Kinogeschichte. Die 81-jährige Autorin und ehemalige Managerin von Kurosawa Production hat seit "Rashomon" (1950) über 40 Jahre lang mit dem Akira Kurosawa als script supervisor zusammengearbeitet.

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"Winter Soldier" von Wintersoldier Collective

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"They fuck with your mind"

“Winter Soldier” ist ein Film über den Krieg und darüber, was ein Krieg aus Soldaten macht. Herzstück des Films sind Mitschnitte der sogenannten Winter Soldier Hearings, die die Vietnam Veterans against the War vom 31. Januar bis 2. Februar 1971 in Detroit veranstalteten. 109 Vietnamveteranen schilderten bei den Hearings detailliert Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen von U.S.-Truppen in Vietnam und bezichtigten sich dabei auch selbst. Das Regisseurkollektiv vertraute bei seinem Film zu weiten Teilen auf das gesprochene Wort und ergänzt die Aussagen sparsam durch Dokumentaraufnahmen der Kämpfe in Vietnam.

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"Seaview" von Paul Rowley, Nicky Gogan

Seaview

Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt.

Eine Doku über ein so unangenehmes Thema wie bspw. den Umgang mit Asylbewerbern ist selten angenehm, aber "Seaview" gelingt es ganz unaufgeregt, ruhig und mit schönen Bildern ein Portrait dieser Menschen zu zeichnen, die mitunter über Jahre hinweg kaserniert und zum Nichtstun gezwungen sind. Ein starker Film!

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„Kabei“ (Our Mother) von Yoji Yamada

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Der Krieg in der Seitenstraße

Nach seiner wunderbaren Samurai Trilogie widmet sich Yamada nun der jüngeren japanischen Vergangenheit, der Zeit des Krieges von 1940-1945 und der faschistischen Herrschaft. Wie schon zuvor wählt er dazu als Erzählerin ein Kind und als Haupthandlungsort das Haus einer Familie. Das ist es, was ihn interessiert: Das Geschehen der Gesellschaft ja in der Welt und die Auswirkungen der Ereignisse auf den Mikrokosmos einer einfachen Familie. Ihm ist wieder ein überragender Film gelungen, der durch seine ruhigen, fast kammerspielartigen Bilder, die brillanten Figuren und Schauspieler getragen wird. Sayuri Yoshinaga spielt die Heldin des Films, die Mutter, die in Zeiten von Gefahr, Mühen, Schmerz und Sorge immer das Richtige tut ohne dabei zu einer unantastbaren Ikone zu werden, sondern im Gegenteil soviel Menschlichkeit ausstrahlt, dass bei ihrem Tod am Ende des Films, viele Kinobesucher Tränen vergossen.

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"Loos ornamental" von Heinz Emigholz

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Nur Häuser, leider

Klingt ein bisschen wie James Benning, nur mit Häusern. Also einfach nackte Stativaufnahmen, in diesem Fall von Häusern und Räumen des Architekten Adolph Loos (1870-1933), ohne Erklärung, ohne Interviews, ja meist ganz ohne Menschen. Doch der Film verfehlt in doppelter Hinsicht sein Ziel: Nicht nur weil er seinem Titel nicht gerecht wird und Loos als "ornamentalen Architekten" enttarnt, sondern auch weil er sich „Architektur als Biographie“ nennt, aber in keiner Weise (außer chronologisch Loos‘ Gebäude zu zeigen) versucht, die Person Loos mit seinen Gebäuden, sein Leben oder sein Denken mit seinen Projekten in Zusammenhang zu bringen. Aber selbst wenn man diese Defizite beiseite lässt, ist dieser Film nur in seltenen Momenten in der Lage, einen Gesamteindruck der Gebäude und damit die architektonischen Eigenheiten der Gebäude und Räume zu geben. Wofür dann einen Architekturfilm machen?

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"Otto; or, up with Dead People" von Bruce LaBruce

Otto

Schwuler Polit-Porno-Zombie-Splatter-Streifen

oder: "The dead look so dead, when they are dead"

Bruce LaBruce's neuer Film hat zwar ein paar Längen, ist aber so ein durchgeknallter Quatsch, den anzuschauen einfach irrsinnig Spaß macht. Die Story ist dabei gar nicht wichtig, man kann die immer neuen, immer absurderen Ideen genießen, die sich auf der Leinwand entfalten.

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"Flipping Out" von Yoav Shamir

Flipping out

Turn on, tune in, drop out

Aber genau umgekehrt. Denn diese jungen Männer und Frauen, vor kurzem aus der israelischen Armee nach 3jährigem Wehrdienst entlassen, gehen die Sache von hinten an: Erst raus der Armee, dann mit der Abfindung nach Indien reisen und dort den Kopf wieder frei rauchen. Dieser Film dokumentiert das Treiben der jungen Israelis.

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"Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie

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Kitsch unter Kirschbäumen

Der Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschens, die Unfähigkeit zu echter Kommunikation und der späte Versuch, etwas gut zu machen, dass sind die nicht eben leichten Themen, um die es im Film "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie geht.

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"Standard Operating Procedure" von Errol Morris

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Wo bleibt die Menschenwürde im Krieg und auf der Leinwand?

„Standard Operating Procedure“ wurde im Vorfeld der Berlinale von Dieter Kosslick mit großer Begeisterung als „wichtiger Film und erste Dokumentation im Wettbewerb“ angekündigt. Nach der Premiere sind große Zweifel daran angebracht, ob es sich bei „Standard Operating Procedure“, der die Misshandlungen von Gefangenen im U.S.-Millitärgefängnis Abu Ghraib im Irak behandelt, um eine Dokumentation handelt. Errol Morris vermischt klassische Interviewpassagen vor neutralem Hintergrund mit Dramaturgieelementen aus dem „Horrorfilm“ – so Morris eigene Wortwahl. Die Würde der Opfer spielt bei der ausführlichen Ausstellung der bereits bekannten Folterbilder im Riesenformat auf der Leinwand offensichtlich keine Rolle. Errol Morris wollte einen investigativen Film machen, der das Zustandekommen der Fotos detailliert nachzeichnet. Der aufklärerische Mehrwert bleibt jedoch äußerst gering.

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Was wir essen (3) - Mittag

Mittagessen???

Der Potsdamer Platz hält immer wieder nahrhafte Überraschungen bereit. Mein persönlicher Tipp: die leckeren Bagel von Solomons in den Arkaden. Für ein Euro oder ein wenig mehr gibts leckere Bagel mit getrockneten Tomanten oder Cinnamon-Raisin, passend zum Kaffee im Kino, äußerst lecker und praktisch zu essen. Aber es gibt auch etwas für die nach unten offene Krustenbratenbrötchenskala: Spinatbagel mit Käse überbacken! Dahinter verbergen sich geschätzte 4000 Kalorien in üppiger Schmelzkäseschicht auf faserigem Spinat, veredelt mit einer undefinierbaren Füllung. Das ganze serviert im knackigen Styroporbehältnis. Und anschließend schläft es sich im Kino richtig gut.

"Ecstasy of the Angels" von Wakamatsu Koji

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Was wäre in Deutschland wohl los gewesen, wenn es in den siebziger Jahren einen Softporno über die RAF gegeben hätte? Dass die Grundidee gar nicht so abwegig ist, wie man zunächst denkt, zeigt „Ecstasy of the Angels“ von Wakamatsu Koji.

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"Sleep Dealer" von Alex Rivera

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Plug in, turn on, drop out!

Es klang wie nach einem Film, gemacht für uns Internet-Arbeiter, uns W-Lan Junkies und Blogger, Online-Angestellte, digitale Boheme oder was auch immer. Mexiko in der nahen Zukunft, Amerika hat seine Grenze geschlossen, die dritte Welt, überhaupt die ganze Welt arbeitet online. W-Lan ist jetzt Körper Plug In.
Der Norden bekämpft außerdem noch immer Terroristen. Das sind jetzt Leute, die das von den USA rationierte Wasser haben wollen. Bei einer Antiterror Aktion mit Dronen, kommt der Vater des Computerfricklers Memo um. Memo haut ab und will als Online-Arbeiter in Tijuana anheuern.

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"Happy-Go-Lucky" von Mike Leigh

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Little Miss Sunshine im Working Class London

Ha! Endlich mal wieder ein Film, der so richtig Spaß macht. Mike Leigh hat entgegen seiner Gewohnheit diesmal kein deprimierendes Sozialdrama auf die Leinwand gebracht, sondern ein beschwingtes Porträt einer wunderbar verrückten Frau, die mit einer schier unbegrenzten Lebensfreude durch London hüpft. Poppy heißt das verrückte Huhn, und sie widerlegt alle negativen Klischees über Grundschullehrerinnen, angefangen bei ihren gewagten lila Spitzenstrumpfhosen und wild gemusterten Stiefeln, über die bezaubernde Art, ihren humorlosen Fahrlehrer in die Verzweiflung zu treiben, bis hin zu ihren kabarettreifen Bemühungen, die stolze Würde des Flamenco-Tanzes zu erlernen.

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"Regarde-Moi" von Audrey Estrougo

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Innen und außen

Endlich wahrgenommen werden, eine Chance bekommen, irgendetwas, das besser ist als das hier und jetzt, davon träumen alle Protagonisten im Film von Audrey Estrougo „Regarde-Moi“. Geschildert wird der durch Aggression und Frustration geprägte Alltag einer Gruppe von Jugendlichen in den Pariser Banlieus: Joe hat es geschafft. Er hat einen Vertrag als Spieler bei Arsenal London bekommen und wird am nächsten Tag die triste Hochhaussiedlung für immer verlassen. Focussiert auf diesen Abschied brechen die mühsam verdrängten Konflikte in der Gruppe allmälich auf und Rivalitäten, Neid und Hassgefühle treten offen zu Tage.

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"Bam Gua Nat" (Night and Day) von Hong Songsee

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Ein Koreaner in Paris

Erstaunlich, was man auf der Berlinale alles so über ferne Länder lernt: Zum Beispiel, dass man in Südkorea fürs Marihuana-Rauchen in ernsthafte Schwierigkeiten kommen kann. So geschieht es Kim Sung-nam, der gar nicht erst wissen will, was ihm für eine Strafe droht, sondern Hals über Kopf in den nächsten Flieger nach Paris steigt – um dort dann ziemlich bedröppelt durchs Leben zu tapsen.

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"Corroboree" von Ben Hackworth

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Gäääääääääääääääääääääähn!

"3 Dias" war ja schon ein Reinfall, aber noch unterhaltsam gegen diese 96minütige Lebenszeitverschwendung. Ein ärgerliches, prätentiöses, und pseudointellektuelles Filmkunstwerk, das man sich AUF KEINEN FALL anschauen sollte (und dabei bin ich eigentlich ein gutmütiger Typ).

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festivalblog-Interview mit Sebastian Heidinger, Regisseur von "Drifter"

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Sebastian Heidinger ist Regisseur der Dokumentation „Drifter“ (Kamera: Henner Besuch). Der Film zeigt das Leben dreier Jugendlicher in der Drogenszene am Berliner „Bahnhof Zoo“. Heidinger studierte Film- und Fernsehregie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Der 29-jährige ist Gesellschafter der „Boekamp und Freunde Filmproduktion“. festivalblog.com sprach mit ihm über seinen Film „Drifter“, der am Sonnabend, 16. Februar, um 21:30 Uhr im Cinemaxx 3 und am Sonntag, 17. Februar, um 13 Uhr im Colosseum in der Sektion Perspektive Deutsches Kino gezeigt wird.

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"Football Under Cover" von David Assmann und Ayat Najafi

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Marlene aus Kreuzberg lernt 2006 auf dem Berlinale Talentcampus den iranischstämmigen Ayat kennen. Beide hatten gerade einen Kurzfilm über Fußball gedreht, Marlene über ihre Kreuzberger Mannschaft BSV Al-Dersimspor, Ayat über eine Fußballspielerin in Iran. Die beiden Fußballbegeisterten haben eine gemeinsame Idee: Ein Fußballspiel von Marlenes Mannschaft in Teheran zu organisieren, gegen die iranische Frauen-Fußballnationalmannschaft. Die existiert, spielt aber unter erschwerten Bedingungen: In der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in der Halle - wegen der strengen „Sittenbestimmungen“, die Frauen vieles verbieten, was Männern erlaubt ist.

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"Die Besucherin" von Lola Randl

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Dass etwas im Leben von Agnes nicht in Ordnung ist, merkt man gleich in den ersten Minuten. Sie überfährt einen Mann, der sich nach ihrer Version vom Balkon gestürzt haben muss. Wo soll der Mann auch sonst auf einmal hergekommen sein?

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"Chiko" von Özgür Yildirim

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Der Pate aus Hamburg-Dulsberg

Chiko lebt in einer heruntergekommenen Vorstadtsiedlung in Hamburg und arbeitet gemeinsam mit seinen Kumpels Tibet und Curley an der Verwirklichung von Karriereträumen eigener Art. Alle drei wollen ganz oben in der Hierachie der örtlichen Drogendealer mitmischen, um sich dann endlich den Luxuslebensstil leisten können, den sie bis dato nur aus Gansterfilmen kennen. Getreu ihrem Motto, dass Respekt nur durch die Furcht der anderen zu erreichen ist, sind sie in der Wahl ihrer Mittel dabei alles andere als zimperlich. Als es Chiko durch den Einsatz besonderer Brutalität dann tatsächlich gelingt, den Drogendealer Brownie auf sich aufmerksam zu machen, scheint der Traum vom großen Geld zum Greifen nahe. Allerdings erweisen sich seine Kumpels immer mehr als Hemmschuh auf der Karriereleiter und Chiko muss sich schließlich entscheiden.

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“RR” von James Benning

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Zug nach Zug nach Zug nach Zug nach Zug

RR ist ein Eisenbahnfilm, vor allem aber ist es ein Landschaftsfilm, der von zufälliger und absichtlicher Schönheit, von Licht, von Stimmungen und räumlichen Strukturen, von Rhythmen und von den USA erzählt. Es handelt sich um ein kunstvolles Arrangement weniger Parameter innerhalb eines festen Settings.

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"Jesus Christus Erlöser" von Peter Geyer

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Vielleicht isser das, der Berlinale 08 Remember Film. Hatte die Wahl zwischen James Bennings „RR“, 37 Güterzüge, die an verschiedenen Orten der USA durchs Bild fahren (no shit!) oder „Jesus Christus Erlöser“ von und mit Klaus Kinski.
Ich hab mich gegen das Meditative und für den den Monolog des Egomanen entschieden. Grandios! Und er hat mich offenbar so sehr verstört, dass ich im Kino noch meine Akkreditierung verlor, auf der Heimfahrt geblitzt wurde - naja und falsch geparkt hatte ich natürlich auch. Sei‘s drum. Die Ausgaben und Mühen habe sich gelohnt. Was für ein Abend mit Kinski!

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"Transsiberian" von Brad Anderson

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Wettrennen der Fieslinge

Ben Kingsley als fieser FSB-Agent Grinko – das ist ziemlich beeindruckend. Von dem Film insgesamt kann man das nicht unbedingt sagen. Als kleiner Psycho-Schocker für zwischendurch ist das vielleicht mal eine schöne Abwechslung für Berlinale-Kritiker, die zuviel verkopftes Zeugs gesehen haben. Aber der große Wurf ist dieser Film ganz sicher nicht geworden.

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"Man Jeuk" ("Sparrow") von Johnnie To

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Vier Buben für eine Dame

Ein Taschendieb-Quartett mit Gentleman-Qualitäten, eine geheimnisvolle Schöne im schwarzen Glitzerkleid und High Heels sowie ein gealterter Mafioso mit Zigarre im Mund – das sind die Zutaten zu einer flott erzählten Gaunerkomödie à la Hongkong. Man schaut Altmeister Johnny Tos „Sparrows“ gerne zu, amüsiert sich und fiebert mit. Was will man mehr?

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"Warum läuft Herr R. Amok?" von Michael Fengler

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Alltag ist Irrsinn

München 1969: Auch in dem bayerischen Dorf, das sich schon immer gerne als Großstadt maskiert hat, sind die Swinging Sixties angekommen. Allerdings nicht bei Herrn R. (Kurt Raab). Nach dreißig Sekunden weiß der Zuschauer: Herr R. gehört nicht dazu. Er trägt Anzug und Krawatte, einen akkuraten Seitenscheitel und arbeitet als technischer Zeichner. Wenn sich seine Kollegen dumme Witze erzählen, schweigt Herr R. Auch mit seiner Frau (Lilith Ungerer), die sich als mondäne, künstlerisch beflissene moderne Frau und Mutter geriert, spricht Herr R. nur wenig. „Man kann ja wohl erwarten, dass ein Mann die Familie ernährt“, sagt Frau R. Herr R. ist sehr bedrückt. Seine Arbeit ist dem Chef nie gut genug, aber eine Frau erwartet eine Beförderung.

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"Elegy" von Isabel Coixet

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Was macht Liebe auf der Leinwand glaubhaft? Sind es Gesten, Blicke, Tränen oder Küsse? Sind es Situationen, die wir in uns wiederfinden? Wie das Gefühl selbst, kann man es wohl schwer festmachen. Schwer zu sagen, weshalb mich die Liebe zwischen dem 60 jährigen Professor David Kepesh und seiner jungen Studentin Consuela lange kalt lässt.

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"Patti Smith: Dream of Life" von Steven Sebring

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Keine Frage: Patti Smith ist eine einzigartige, charismatische Künstlerin, die seit mehr als 30 Jahren erfolgreich als Musikerin, Dichterin, Photographin und Malerin arbeitet. Ihre Platten "Horses", "Radio Ethiopia" und "Easter" sind längst fester Bestandteil der Punk- und Rockmusikgeschichte geworden, die Live-Auftritte von Patti Smith waren und sind bis heute legendär.

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"3 Dias" von F. Javier Gutiérrez

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Was für ein gestörter Film ist das denn? Das Setting klingt spannend: riesiger Meteorit fliegt auf die Erde zu, um keine Panik zu verursachen wurde diese Nachricht zurückgehalten, bis alle Versuche, das Unheil abzuwenden fehlgeschlagen sind. Jetzt bleiben noch 3 Tage. Was würde man selbst in diesen 3 Tagen tun? In abgelegene Tunnel in den Bergen fliehen? Seiner geheimen Liebe die Gefühle gestehen? Alte Streiterein ausräumen? 3 Dias geht einen anderen Weg.

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"Yasukuni" von Li Ying

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Spinner der Welt, vereinigt Euch!

Manchmal scheint es, als spiegele Deutschland sich gern in Umgang der Japaner mit ihrer aggressiven, kriegerischen, Genozid Politik während des zweiten Weltkriegs. Was dort viele sagen und tun, haben sich in Deutschland viele lange verkniffen. Aber auch bei uns gab es seltsame Mythen, wie, "Die Wehrmacht war sauber." oder "Davon haben wir nichts gewusst". Sonst hätte wohl Weizäckers Rede 1988, die Fernsehserie "Holocaust" und die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" nicht nach fast 50 Jahren solche Wellen geschlagen.

Japan musste nach dem Krieg nicht viel ändern, konnte seinen Tenno behalten, es gab auch Kriegsverbrecher Prozesse in Hiroshima (aber nicht wegen Hiroshima) wie in Nürnberg. Und dann wurde viel und ausdauernd geschwiegen.

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Was wir essen (2) - Frühstück

Was ist das für eine Berlinale, wo bleibt der Schneeregen? Ich trau dem Braten nicht. Heute jedenfalls "Frühstück" in der Sonne, Jacke offen. Fast wie in Cannes...

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"Le premier venu" von Jacques Doillon

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Manchmal ist Schicksal nicht dass, was einem zufliegt, sondern das, was vor einem flüchtet. Wie sonst ist es zu erklären, dass Camille immer noch um Costa wirbt, nachdem er beim ersten Zusammentreffen auf ihre Hingabe nur mit Gewalt antworten kann. Nicht nur der Zuschauer auch Costa selbst kann Camille nicht begreifen.

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Diplomatie in Zeiten des Terrors

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Filme beschäftigen ich nicht nur mit Fiktion, sondern auch mit der harten Realität. Die zeigen die zahlreichen Dokumentationen auf dieser Berlinale. "Standard Operating Procedure", der erste Dokumentarfilm überhaupt im Berlinale-Wettbewerb, stellt die Frage, welche Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus legitim sind. Sony Pictures Classics und Participant Media laden begleitend zum Film von Errol Morris am Mittwoch, 13. Februar, um 15 Uhr zu einer öffentlichen Diskussion ein. Die Veranstaltung findet im Ballsaal (1. Stock) des Ritz Carlton Hotels, Potsdamer Platz 3, statt.

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Was wir essen (1)

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Krustenbraten, Berlin 2008

Eine Berlinale ist schließlich keine Kur. Keine Zeit, keine Zeit, also: Höchstens Fastfood zwischen zwei Filmen. Besonders beliebt: Der Krustenbraten aus den Arkaden, liegt so schwer im Magen, das er auch nach drei Filmen noch nicht verdaut ist. Wunderbar. Und das zur Fastenzeit. Gibt es eigentlich schon einen Ernährungsberater für Festivalbesucher?

"Shine a Light" von Martin Scorsese (2)

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Zurück in die Zukunft

Martin Scorcese hat mit „Shine a Light“ seinen ersten, grandiosen Sience-Fiction-Film vorgelegt. Der Plot spielt im Jahr 2062 und ist schnell erzählt. 100 Jahre nach ihrer Gründung werden die mit speziellen Methoden eingefrorenen und konservierten Mitglieder der Band „The Rolling Stones“ aufgetaut und spielen ein Jubiläumskonzert auf einem fernen Planeten.

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Avaze Gonjeshk-ha (The Song Of Sparrows) von Majid Majidi

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Von Straußen und Menschen

Strauße sind komische Tiere. Dicke Beine zum Rennen und ein kleines Hirn für diesen mächtigen Leib. Dafür geben sie schöne Federn und dicke Eier her. "Der Mensch ist ein komisches Tier, das sich rasiert" hat mal jemand gesagt. Dem kann man zustimmen. Er rennt dem Geld hinterher, sammelt es, hortet es. Und besteht irgendwie Aussicht auf mehr, dann kann der Sammeltrieb zur Obsession werden. Sein Hirn ist größer als das des Straußen, aber das scheint nicht immer zu helfen. Und große Eier legen kann er eben auch nicht.
In Majidis Film steht ein von einer Farm geflohener Strauß als Symbol für das große Geld, das man irgendwann finden wird, wenn man nur mit allen zur Verfügung stehenden Kräften danach sucht.

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"My Brother's Wedding" von Charles Burnett

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Rastlos zwischen zwei Welten

Ein junger Mann driftet durch den Tag – Pierce hilft in der kleinen Reinigung seiner Eltern in Watts in L.A. mit, ab und an kümmert er sich um seine alten Onkel und Tanten, zwischendurch balgt er sich wie ein Schuljunge mit seinem Vater, und manchmal bekommt er auch Besuch von einer flotten jungen Dame, die erst ihren Ehering abstreift, bevor sie den Laden betritt. Während dessen ist seine Familie ganz mit den Hochzeitsvorbereitungen für den älteren Bruder beschäftigt – doch Pierce kann die vornehme Mittelklasse-Familie, die hier angeheiratet wird, auf den Tod nicht ausstehen. Als Pierce bester Freund Soldier aus dem Knast entlassen wird, eskaliert der Konflikt zwischen den Welten, in denen sich Pierce bewegt.

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"Om Shanti Om" von Farah Khan

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Berlin im Bollywood-Fieber

Fünfzigjährige Berliner Hausfrauen, die einen Shah Rukh Khan Fanclub gründen, „Shah Rukh, Shah Rukh!“ kreischende Menschenmassen vor dem Kino International, in sieben Minuten ausverkaufte Vorstellungen des Films „Om Shanti Om“: So sieht die Bollywood-Hysterie aus, wenn sie die Spree erreicht...

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„Teenage Angst“ von Thomas Stuber

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Das sind Nihilisten, die wollen nur foltern

Jugendliche mit dem Y-Chromosom neigen als Teenager zu Männlichkeitswahn und zur Gewalt. Thomas Stuber schafft in „Teenage Angst“ eine Konstellation, in der vier Internatsschüler eine Art nihilistische Variante des „Clubs der toten Dichter“ durchspielen. Das Streben nach den hehren Idealen der Poesie ersetzen sie durch eine möglichst totale Absage an Werte und Moral.

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„Gardens of the Night“ von Damien Harris

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"No direction Home"

Stell dir vor, dein Kind geht zur Schule, ein lauer Sommermorgen, du bist schon auf dem Weg zur Arbeit, irgendein Meeting, ein Termin, deswegen musstest du früher weg, oder ein Arzttermin. Irgendein Quatsch - den du für den Rest deines Lebens bereuen wirst. Denn der flüchtige Kuss für deine kleine 7-jährige Tochter mit den blonden Zöpfen und den streichholzdünnen Beinen wird der letzte sein, den du deinem Kind gibst. Für viele Jahre. Du denkst für immer. Sie ist weg. Kommt nicht wieder. Ist nicht tot. Viel schlimmer. Sie ist nicht tot. Du wünscht es ihr.
Diese Geschichte erzählt der Film. Aber nicht aus der Sicht der verzweifelten Eltern, sondern aus der Sicht des Mädchens und ihres Märtyriums in den Händen von Pädophilen.

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Genenet al asmak (The Aquarium) von Yousry Nasrallah

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Youssef und Laila gehen in Kairo ziemlich unterschiedlichen Berufen nach: Sie moderiert eine Radiosendung, in der Menschen ihr Herz ausschütten, er ist Anasthäsist und befördert seine Patienten in den Dämmerzustand. Um diese beiden Charaktere wird ein höchst ungewöhnlicher ägyptischer Film erzählt.

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Die Berlinalefänger

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Die Freunde von Tom Cruise sind auch schon da

Während der Berlinale lauern sie überall, Menschen mit Botschaften, Anliegen, oder, schnöder, mit Produktproben und Werbung. Am Tage rase ich an ihnen vorbei, komme in letzter Minute zum Film, man müsste verrückt sein mir mit dem gehetzten Blick ein Zeitungsabo aufschwatzen zu wollen. Aber nach den Filmen am Ende des Tages bin ich leichte Beute. Da stehen sie, vor der S-Bahn Potsdamer Platz, und fragen mich: „Lust auf einen kostenlosen Stresstest?“

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Murch & Mac

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Hatte die Ehre hinter Walter Murch zu sitzen und der Jury bei der Arbeit zuzusehen. Er nimmt diese Arbeit als echter Nerd ernst wie immer. Murch hatte seinen Mac während des Films auf dem Schoß und wie er es auch bei den Filmen macht, die er schneidet, arbeitete er den Film hindurch mit der, was sonst, Murch-Methode.
Auf einer Ebene eines Dokuments notiert er die direkten Gedanken und Emotionen, die ihm bei den Bildern aufblitzen und in einer Spalte daneben, die Kommentare und analytischen Gedanken zu den Szenen und der gesamten Dramaturgie des Films. Was er dort schrieb, konnte ich leider nicht erkennen, war aber erstaunt, dass er es auch als Jury Mitglied exakt so macht, wie seit Jahrzehnten für Coppola und andere und es auch in seinen Büchern beschreibt. Hat sich ja bewährt.

"Julia" von Erick Zonca

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Einmal abwärts bitte!

Grandios die ersten 20 Minuten! Tilda Swinton spielt eine extreme, harte, egozentrische laute, exzessiv trinkende, rauchende, sehr körperliche Frau. Sie zeigt sich und damit diese Figur Julia so hemmungslos und kaputt, dass man beginnt sich „fremdzuschämen“ für Julia, sie aber auch bewundert für ihre Sprüche und ihren Eigensinn ihre Art sich zu nehmen was sie will. Julia ist irgendwie Mittelklasse Großstadt, aber ein wenig vulgär mit Stil. Ihr Problem: Sie trinkt. Sie trinkt richtig. Die Szenen haben mich umgehauen: wenn sie auf irgendeinem Sofa, in irgendeinem Auto, mit irgendeinem Typen morgens erwacht. Den Mund trocken und

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"There Will Be Blood" von Paul Thomas Anderson

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Ein Mann wie brennendes Öl

Der Filmtitel sei als eine Art Versprechen an die Zuschauer gedacht gewesen, sagt Daniel Day-Lewis auf der Pressekonferenz über „There Will Be Blood“ – und in der Tat, unsere Erwartungen werden voll und ganz erfüllt, denn Blut fließt reichlich in Paul Thomas Andersons Wettbewerbsbeitrag über die rauen Anfänge der Ölförderung im amerikanischen Westen.

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Fußvolk

Anders als die Herren und Damen mit Akkreditierung oder Gehbehinderung gehöre ich zu der Minderheit von Kinoenthusiasten, die sich ihre Berlinalekarten mit mühseligem Schlagestehen selber kaufen müssen. Das Bestellen im Internet kann man nämlich getrost vergessen (10 Uhr beginnt der Verkauf, 10:01 waren alle Filme bereits ausverkauft - wie toll ist das denn?) und das hat mir schon mein Kinoprogramm von heute und morgen versaut.
Also bin ich nicht verzagt heute mittag zum Kino International geradelt. Durchgefroren steige ich am roten Teppich ab, wo mich ca 200 meist jüngere Frauen anstarren. Promialarm. Na gut, ihr Interesse gilt nicht mir, aber vielleicht hab ich ja Glück und bekomme während des Wartens auf Karten einen Promi zu Gesicht...

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„Nacht vor Augen“ von Brigitte Maria Bertele

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Veteran ist nicht nur ein Wort

Zwei Filme an meinem ersten Berlinale Tag, die von Angst und mißglücktem Heldentum handeln. In „Leo“ von Josef Fares versucht der Held des Films seine Schuldgefühle und Angst durch einen Rachefeldzug zu bekämpfen, in „Die Nacht vor Augen“ versucht ein aus Afghanistan heimkehrender deutscher Soldat seine Schuld und Angst durch Normalität zu unterdrücken. In beiden Fällen mit schlimmen Folgen.

Der Bundeswehrsoldat David (Hanno Koffler) kehrt aus Afghanistan in Kampfmontur in ein beschauliches Schwarzwaldörtchen zurück, seine Freundin empfängt ihn freudig, genau wie Freunde und Familie. Doch schnell ist klar, der Mann ist nicht mehr der gleiche. Warum behandelt er seinen 7 jährigen Halbruder so rüde und will ihm Härte ein- und die Angst austreiben. Warum kann David sich nicht mehr anfassen lassen, ist impotent, nässt ins Bett? Warum schläft er nicht, wer ist die verschwommene Figur, die in seinen Träumen bei ihm auf der Bettkante sitzt?

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"Shine a Light" von Martin Scorsese

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Was hat Falten und macht Krach? Keith Richards.

Garagenrocker unter Dampf: Ein Hörfilm

Woran erkennt man einen ernsthaften Filmkritiker, der aus der Vorführung von „Shine a Light“ kommt? - Am zerknautschten Gesicht. 122 Minuten Naserümpfen hinterlassen eben Spuren. Sie haben sich ja so gelangweilt, die schreibenden Trüffelschweine, die verzweifelt nach dem kulturell anspruchsvollen Filmabenteuer suchen. Ein „konventioneller Konzertfilm“ über das den internationalen Konzern „Rolling Stones“ zur Eröffnung der Berlinale? Geschmacklos! - Hätten sie doch bloß einmal hinGEHÖRT.

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"Leo" von Josef Fares

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Auge um Auge...

Der Film dreht sich um die Frage, die mir bei meiner Musterung für die Bundeswehr gestellt wurde, als ich sagte, ich wolle verweigern: „Was würden sie denn machen, wenn ihre Freundin angegriffen und vergewaltigt wird. Würden sie nicht schießen, um sie zu retten?“

Der Film Leo von Josef Fares, der bisher mehr Kommödien wie "Jalla Jalla" und "Kops" gemacht hat, braucht nur 5 Minuten, dann steigt sie hoch im Zuschauer: die Wut, die Hilflosigkeit, die man angesichts von Menschen empfindet, die einen in ihrer Gewaltbereitschaft einschüchtern und denen es allein um Dominanz ohne jegliche moralische Bedenken oder Skrupel geht.
Leo geht nach der Feier seines 30. Geburtstags mit seiner Freundin nach Hause, sie sind fröhlich, ausgelassen, plötzlich zwei Typen vor ihnen in der leeren Straße. Der berüchtigte: „Was guckst du, willst du Ärger..“ Satz führt in nur zwei Minuten in die Katastrophe.

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"Tribu" von Jim Libiran

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Gangfilme haben schon seit jeher ihren festen Platz in der Kinogeschichte. Von der Verfilmung der "West Side Story" durch Robert Wise (1961), Coppolas "The Outsiders" (1983) und John Singletons "Boyz n the Hood" (1991) beschäftigen sie sich alle mit dem perspektivlosen Kampf rivalisierender Jugendgangs und der Spirale aus Gewalt und Gegengewalt. „Tribu“ steht in gewisserweise in dieser Tradition und ist doch ganz anders.

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"My Winnipeg" von Guy Maddin

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Wem kommen nicht immer wieder im Traum Szenen aus unserer Heimatstadt. Wir sehen die Läden, in denen wir als Kind gekauft haben, die Familie oder das Elternhaus. Dann spüren wir plötzlich wieder diese Fluchtbewegung, den Wunsch unsere Heimatstadt für immer zu entfliehen.
Diese Fluchtbewegung kann unser Leben prägen und unsere Träume bestimmen. Künstler haben dabei einen großen Vorteil: sie träumen öffentlich.

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Mit dem dicken B ins Paradies: Schwerbehindertenkartenvorverkauf

Als ich durch die Arkaden am Potsdamer Platz eile, sehe ich sie: Die Mühseligen und Beladenen, die nach Berlinale-Karten lechzen und in endlosen Schlangen stehen. Diabolisch kichere ich in mich hinein. Ich habe sie, die Eintrittskarte ins Paradies. Einen grün-roter Lichtbildausweis, der mir aufgrund einer „außergewöhnlichen Gehbehinderung“ (Wie geil klingt das?! Bin ich etwa einer von den Gewöhnlichen? – Natürlich nicht.) eine 80-prozentige Schwerbehinderung bescheinigt. Was noch viel wichtiger ist: Ein dickes schwarzes B auf der Vorderseite verkündet amtlich trocken „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen.“

So ist das, liebe Filmnerds ... Aufgrund dieser amtlich beglaubigten Hilflosigkeit kann ich gleich im Service Center der Berlinale das Ding drehen, den Bruch machen, den Jackpot knacken – ganz legal. Mehrere Stunden habe ich in der vergangenen Woche mein Hirn arbeiten lassen, das noch außergewöhnlicher ist als mein verblüffender Gehapparat.

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Jury schmeisst hin

So schlimm ist es natürlich nicht. Aber sehr selten ist es schon, wenn zwei prominente Jurymitglieder am Tag der Eröffnung absagen. Susanne Bier muss plötzlich in die USA fahren, um dringende Vorberereitungen für ihren nächsten Film zu treffen. Sandrine Bonnaire legt ihr Mandat nieder. Zwar hat sie nichts politisch unkorrektes gesagt, was ja in Deutschland bekanntlich häufiger der Fall ist, aber sie kann aus familiären Gründen nicht die ganze Zeit auf der Berlinale sein. Wenn Dieter Kosslick allen Prominenten bei der Stoned Eröffnungsgala ein Busserl gibt, wissen wir schon jetzt, was er ihnen ins Ohr flüstert: "Willst du nicht?"

Kontrollzone Berlin

Schon auf der Einfahrt nach Berlin wurde mir gestern klar: dieses Jahr ist irgendetwas anders. Auf Las Vegas ähnlichen Leuchttafeln wird man schon auf der Autobahn darauf hingewiesen, dass man nicht mehr "einfach so" nach Berlin City reinfahren darf: nur noch plakettiert. Sonst: Kontrolle, 40 Euro, ein Punkt in F.

Am nächsten Morgen am Potsdamer Platz scheint dagegen wieder alles so wie ich es letztes Jahr zurückgelassen habe. Gleich im Foyer des Pressezentrum tönt mir das Sprachgewirr aus Schwedisch, Spanisch, Koreanisch und Chinesisch entgegen. Eingelullt von den Schwingungen des Wohlbekannten bezahle ich weihnachtsselig meine 40 Euro, die hier viel besser aufgehoben sind, und bekomme dafür meinen Festivalausweis. Dazu ein kleines weißes Blatt Papier. Doch so unschuldig wie es tut ist es nicht:

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Die Jury - Glam&Grips

Die Berlinale Jury ist eine knifflige Sache: Es soll sich Kompetenz, von vor und hinter der Kamera zusammenfinden, Big Names wären nicht schlecht für dem Glamfaktor, ein bisserl Sexappeal und natürlich ein "Presidente", der einem A-Festival alle Ehre macht. In dieser Hinsicht ist die diesjährige Jury eine gelungene Mischung:

Jury-Präsident Constantin Costa-Gavras soll den Anspruch der Berlinale festigen, ein Festival zu sein, in dem es politisch-engagiert zugeht. Eine Tatsache, die immer wieder angesichts des Wettbewerbs Prorgramm angezweifelt wird. Wir werden sehen.

Der Szenenbildner Uli Hanisch, der sich für alle Tykwer Filme verantwortlich zeigte, wobei ich vor allem an den frühen Tykwer "Winterschläfer" denke, der großartige Räume und Atmosphäre hatte.

"Unsere Frau in Hollywood" ist auch da, Diane Kruger, Schauspielerin, die mal Diane Heidkrüger hieß, ebenfalls ein echter Hingucker directamente aus "El Ey".

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