Wettbewerb

IN DEN GÄNGEN von Thomas Stuber (Kritik 1, Berlinale 2018)

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Endlich! Ein Film, der alles richtigmacht. Vor allem, ein Film, der es am Ende nicht verreißt. In der Geschichte gibt viele Möglichkeiten, ein großes Drama zu entfachen. Doch IN DEN GÄNGEN bleibt eben dort. Regisseur Thomas Stuber opfert seine Figuren nicht einem oberflächlichen Effekt, sondern begleitet sie mit großer Sensibilität.

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IN DEN GÄNGEN von Thomas Stuber (Kritik 2, Berlinale 2018)

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Ihr wollt einen Liebesfilm? Ihr kriegt einen Liebesfilm! Einen Film, den Ihr liebt

Frage: Was ist erotischer? Gabelstapler oder Süßwaren? Antwort: Kommt drauf an. Ein Gabelstapler ist ein geiles Teil. Wer am Steuer sitzt, hat die Macht über seinen Teil der Gänge im Supermarkt. Wenn bei den Süßwaren aber Marion (Sandra Hüller) die Regale einräumt, dann definitiv die Süßwaren. Das jedenfalls denkt sich Christian (Franz Rogowski), der in dem Supermarkt irgendwo in der Provinz in Neufünfland einen neuen Job als Lagerarbeiter anfängt. Christian hat Supermärkten im Allgemeinen und vom Gabelstaplerfahren im Besonderen keine Ahnung. Aber das macht nichts. Alles was er wissen muss, bringt ihm Bruno (Peter Kurth) bei. IN DEN GÄNGEN ist ein deutscher Liebesfilm. Ein sehr, sehr guter deutscher Liebesfilm, der Chancen auf wirklich jeden Bären hat. Es ist nicht zu fassen.

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TOUCH ME NOT von Adina Pintilie (Berlinale 2018)

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Was fühle ich? Was fühlst du?

Touch me not – Please touch me. Das sind die beiden Pole zwischen denen die Themen Intimität und Sexualität und Verletzlichkeit/Unverletzlichkeit der eigenen Person in Adina Pintilies TOUCH ME NOT verhandelt werden. Was ist unser Bild unseres eigenen Körpers, was ist das Bild anderer Körper, die wir begehren? Wo setzen wir Grenzen für intime Interaktion und Sexualität? Wollen wir diese Grenzen verschieben? Und wenn ja, wir können wir das tun? TOUCH ME NOT ist berührend und formal herausragend. Ich wünsche der Jury den Mut zum Bären – möglichst zum goldenen, zur Not auch den silbernen für den Großen Preis der Jury. Traut Euch, bitte!

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TWARZ von Małgorzata Szumowska (Berlinale 2018)

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Vor drei Jahren gewann die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska für BODY den Silbernen Bären für die Beste Regie. Mit TWARZ ist sie in diesem Jahr wieder im Wettbewerb vertreten und liefert eine böse Farce auf die bigotte polnische Gesellschaft ab. Jacek, ein junger Dorfrebell, der seine langen Haare, seine Verlobte und Heavy Metal liebt, ist nach einem Unfall so entstellt, dass er eine Gesichtsplantage benötigt. Von da an wenden sich alle von ihm ab – die Freundin, die Bekannten, sogar die eigene Mutter. Die Medien vermarkten Jaceks Schicksal, auch die Dorfgemeinschaft scheint zunächst helfen zu wollen, aber das Interesse ist nicht von Dauer. In grotesk überzeichneten Szenen wird die Verlogenheit und Eiseskälte dieser erzkatholischen Gemeinde gezeigt, die zwar stolz auf ihre aus Spenden finanzierte monumentale Jesus-Statue sind – auf deren Baustelle Jacek verunglückt ist –, aber nicht einmal das bisschen Geld aufbringt, um die Familie bei den medizinischen Kosten zu unterstützen. Letztlich macht die Regisseurin aber viel zu wenig aus ihrem Stoff. Dem Film geht irgendwann die Puste aus. Da haben wir in der Tat schon Besseres und Packenderes von ihr gesehen.

Foto: © Bartosz Mronzowski

MUSEO von Alonso Ruizpalacios (Berlinale 2018)

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Wenn man in der Familie nur „Zwerg“ genannt wird und wenn die Eltern und Geschwister einen auch sonst nicht ganz für voll nehmen, ist es naheliegend, irgendwann einen richtigen Knaller landen zu wollen. Um – vor allem sich selbst – zu beweisen, dass man kein totaler Loser ist. Juan hat genau dieses Problem. Und er hat ein richtig großes Ding vor: den Maya-Saal des Nationalmuseums für Anthropologie in Mexiko-Stadt auszuräumen.

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MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT von Philip Gröning (Berlinale 2018)

Das große Labern, oder: Die Zwei von der Tankstelle

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Ein Wochenende im Sommer. Süddeutsche Provinz. Felder, Wiesen, eine Landstraße. Mitten im Nichts eine Tankstelle. Elena, blond und zierlich, hat am Montag Abiturprüfung in Philosophie. Robert, groß und schlaksig, ist ihr Zwillingsbruder. Er soll ihr beim Lernen helfen. Die Hitze flimmert, die Insekten zirpen, die Geschwister stapfen durch die Wiese und lassen sich mit Sicht auf die Tankstelle nieder. In gedrechselten Sätzen werden Zitate und Gedanken von Heidegger, Plato, Nietzsche und den anderen Jungs aus der Band wie Ping Pong Bälle hin- und hergespielt. Sie fragt. Er erklärt. Zum Beispiel die Gegenwärtigkeit von Zeit anhand einer zerbrochenen Bierflasche. Das hat bisweilen etwas von Philosophie für Erstsemester. Recht ambitioniert und letztlich zu gewollt, um charmant zu sein. Ergänzt werden diese Lehrstunden immer wieder durch kleine Machtspielchen, in denen die Geschwister diverse Zickigkeiten und Spannungen miteinander aushandeln. Das wird so harmlos nicht bleiben.

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KHOOK von Mani Haghighi (Berlinale 2018)

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Gib den kotzenden Kakerlaken Zucker

In der iranischen Filmszene treibt ein Serienkiller sein Unwesen, ein sehr unangenehmer noch dazu (mal angenommen, dass es angenehme Serienkiller gibt): Er pflegt seine Opfer zu köpfen. Darüber hinaus ist der Mörder auch noch wählerisch. Bisher hat er ausschließlich Regisseure heimgesucht. All das hebt die Laune von Star-Regisseur Hasan nicht gerade und die ist ohnehin schlecht. Denn er steht auf der staatlichen Blacklist, darf keine Filme mehr machen und hält sich mit Werbespots für Kakerlakenvernichtungsmittel über Wasser. Als der Killer immer wieder zuschlägt, hat Hasan noch einen weiteren Grund für seine schlechte Stimmung: Natürlich ist er froh, dass er noch lebt. Aber ist er, verdammt nochmal, etwa nicht prominent und wichtig genug, um ein lohnendes Opfer zu sein?

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DON’T WORRY, HE WON’T GET FAR ON FOOT (Berlinale 2018)

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John Callahan ist ein ziemlich bekannter Cartoonist. Er war für seinen schwarzen Humor bekannt und saß außerdem im Rollstuhl. John Callahan ist seit acht Jahren tot. Und nun hat Gus Van Sant einen Film über John Callahan gedreht. Gus Van Sant hat früher viele tolle Filme gedreht. In denen kamen oft ganz schräge, kaputte Typen vor. Die Filme waren schwierig anzuschauen, aber toll. Der neue Film ist nicht so toll. Weil er eine ziemlich schräge Geschichte in einen ganz braven Rahmen mit Happy End presst. Damit alle sich über das Ergebnis freuen können. Das passt irgendwie nicht. Außerdem hat Joaquin Phoenix, der John Callahan spielt, eine ganz komische, karottenfarbige Perücke auf. Die ist hässlich und sieht außerdem falsch aus. Und er ist mindestens 20 Jahre zu alt für die Rolle.

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3 TAGE IN QUIBERON Von Emily Atef (Berlinale 2018)

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Schönes, spannungsloses Kammerspiel

Die Geschichte des Interviews des Stern-Journalisten Michael Jürgs mit Romy Schneider im April 1981 ist seit der Erstveröffentlichung schon oft erzählt worden. Nicht zuletzt vom Stern selbst anlässlich von Romy-Schneider-Geburtstagen mitsamt den Schwarz-Weiß-Fotos von Robert Lebeck. Die drei Tage an der Bretagne-Küste sind auch Teil von Dokumentarfilmen und zahlreichen Zeitungsartikeln. Im Zeitalter des Internets lässt sich das alles mit wenigen Klicks finden. In DREI TAGE IN QUIBERON macht Emily Atef daraus ein hervorragend besetztes Kammerspiel in mit schön-melancholischen Bildern, selbstverständlich auch in schwarz-weiß.

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FIGLIA MIA von von Laura Bispuri (Berlinale 2018)

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Die moralische Vernichtung ist eine Option

Die 10-jährige Vittoria (Sara Casu) steht zwischen zwei Frauen – eine unmögliche Situation. Zumal Tina (Valeria Golino) und Angelica (Alba Rohrwacher) ihre Mütter sind und sie ihre leibliche Mutter Angelica erst vor wenigen Tagen kennengelernt hat. Laura Bispuri zeigt in ihrem zweiten Film eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung in einem bitterarmen Fischerdorf auf Sardinien.

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EVA von Benoit Jacquot (Berlinale 2018)

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Callboy mit hungrigem Blick bekommt durch eine (zumindest für ihn) günstige Fügung, die eine Badewanne involviert, das Leben eines talentierten Stückeschreiber geschenkt. Doch das angenehme Dasein im falschen ist nicht ohne Tücke. Die Pariser Theaterszene dürstet es nach einem zweiten Stück. Durch einen weiteren Zufall trifft der junge Mann auf die Edelprostituierte Eva, die ihn gleich mal k.o. schlägt. Von da an ist der junge Mann entflammt und will, dass Eva sich in ihn verliebt. Aus ihrer Begegnung will er Inspiration für sein neues Stück ziehen. Und vor allem: Er will sie, die der Welt ebenfalls mit einer Maske gegenübertritt, kontrollieren.

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LA PRIÈRE von Cédric Kahn (Berlinale 2018)

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Der 22-jährige Thomas kommt zum Heroin-Entzug in die französischen Alpen. Hier kümmert sich eine katholische Gemeinschaft darum, jungen Menschen einen Weg zurück ins drogenfreie Leben zu ermöglichen: Mit harter Arbeit, Demut und einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl, mit Glauben, Liebe und Gebeten. Regisseur Cédric Kahn folgt dem jungen Mann ein gutes Jahr auf seinem Weg – es werden so ziemlich alle prototypischen Stationen eines glaubensbasierten Entzugs durchgespielt: von anfänglichem zornigen Schweigen, über Täuschung und offene Rebellion, Eingewöhnung und Rückfall, bis hin zum Erweckungserlebnis und eigenständiger Entscheidung. Dabei enthält sich der Film weitgehend jeglichen Kommentars. Kritik an der Sinnhaftigkeit eines solchen Entzugs wird nur indirekt deutlich. Wir als Zuschauer müssen uns unser eigenes Urteil bilden.

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DOVLATOV von Alexey German Jr. (Berlinale 2018)

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Sowjetunion, bleierne Zeit, 1971. Leonid Breschnew ist, wenn er nicht gerade einen Auftritt in den absurden Träumen des Schriftstellers Sergei Dovlatov hat, damit beschäftigt, den Hauch von Frühlingsluft zu verscheuchen, der sich in den Jahren zuvor bemerkbar gemacht hat. Darunter leiden besonders jene Freigeister – Schriftsteller, Maler und Dichter gleichermaßen –, die „echte“ Künstler sein wollen und nicht Handlanger der Staatspropaganda. Wer feinsinnige Gedichte schreibt wie Joseph Brodsky oder ironische Geschichten wie Dovlatov, der hat schlechte Karten, überhaupt publiziert zu werden. Gefragt sind stattdessen Loblieder auf die Steigerung der Kohleproduktion. Das verschneite, graue Leningrad bereitet sich im November 1971 auf die großen Staatsfeierlichkeiten zu Ehren der Revolution vor. Zugleich diskutiert ein Grüppchen Dissidenten in einem fort die Frage: Wie kann ich in diesem System sein, der ich sein möchte – oder muss ich dafür fortgehen?

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TRANSIT von Christian Petzold (Berlinale 2018)

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In TRANSIT erzählt Christian Petzold eine einfache Geschichte: Georg (Franz Rogowski) flieht vor den deutschen Besatzern gemeinsam mit seinem schwerverletzten Freund Heinz von Paris nach Marseille. Heinz überlebt die Flucht nicht. In seiner Tasche hat Georg die Dokumente und ein Manuskript des Autors Weidel, der sich in Paris das Leben genommen hat. In Marseille trifft er den kleinen Sohn von Heinz und seine Mutter. Und er trifft Marie (Paula Beer). Georg steht vor einer Frage: Wie kann er aus Marseille entkommen, bevor die deutschen Truppen die Hafenstadt erreichen und wen kann er retten? Diese Handlung, die so einfach klingt, ist nicht nur Ausgangspunkt eines Liebesdramas. Petzolds Film, der auf dem Roman Transit beruht, den Anna Seghers 1942 in Marseille schrieb, handelt auch von dem Unterschied zwischen Erinnertem, Erzähltem und Erlebten.

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DAMSEL von David und Nathan Zellner (Berlinale 2018)

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Es hätte so schön sein können. Robert Pattinson als tollpatschiges Greenhorn, das seine Verlobte aus den Fängen eines bösen Entführers befreien will und dafür einen falschen Priester anheuert. Und dann ist plötzlich alles ganz anders als gedacht. Versprochen wurde uns eine rasante Western-Parodie. Geliefert wurde eine peinliche Möchtegern-Satire. Die Witze zünden nicht. Die Slapsticks sind bemüht. Der Ton schwankt ständig zwischen schwarzhumorig und dann doch wieder irgendwie ernst gemeint. Zum Verzweifeln. Und zwar lange 113 Minuten lang.

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ISLE OF DOGS von Wes Anderson (Berlinale 2018)

Warum der Hund das Stöckchen holt

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Der Hund ist des Menschen bester Freund. Doch was passiert, wenn der Mensch des Hundes ärgster Feind wird? In Wes Andersons Berlinale-Eröffnungsfilm ISLE OF DOGS wird dieses Gedankenspiel zur schwarzhumorigen Gesellschaftsparabel. Kurzfassung: Ein kleiner Junge will seinen Hund aus der Verbannung retten und zettelt damit eine Revolte an. Bereits zum zweiten Mal seit FANTASTIC MR. FOX lässt Anderson dabei die Puppen tanzen. Mit der äußerst aufwändigen, aber in ihrem Effekt unglaublich bezaubernden Stop-Motion-Technik erweckt er hier erneut eine liebevoll inszenierte, detailreiche Welt zum Leben. Der Grundton des Films ist verspielt, aber er ist durchzogen von düsteren Anklängen an Totalitarismus, Faschismus und Genozid. Dabei wartet Anderson, wie zu erwarten war, mit seinen Markenzeichen auf: Fantastische Regie-Einfälle, wunderbar intelligente Dialoge, skurrile Figuren und Situationen und das sichere Gespür für schräge Komik.

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