71. Internationales Filmfestival
San Sebastian

01.10.23 13:46

SSIFF 2023: Preise des Offiziellen Wettbewerbs

Gestern Abend wurden auf der Abschluss-Gala des Filmfestivals in San Sebastian die Preise im Offiziellen Wettbewerb vergeben. Bei vielen Festivals sind Namen und Form der Preise eng verbunden mit der Identität der gastgebenden Stadt. In der Küstenstadt San Sebastian sind es Muscheln.

Filmstill, eine Frau steht auf einem Feld und schaut sich um

Die Goldene Muschel (Concha de Oro) für den besten Film gewann O CORNO (The Rye Horn) der spanischen Regisseurin Jaione Camborda. Camborda stammt selbst aus San Sebastian und hat u.a. an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München studiert. O CORNO spielt in Galizien in den 70ger Jahren. Aufgrund eines tragischen Ereignisses ist die Muschel-Fischerin und Gelegenheits-Hebamme Maria gezwungen, von der Insel Illa de Arousa zu fliehen, und überquert auf alten Schmuggler-Routen die Grenze zwischen Spanien und Portugal.


Ein alter Mann mit Schirmmütze sitzt in einem Bus und schaut aus dem Fenster. Neben Ihm sitzt eine Frau

© 2023 Being Film and Art

Zumindest aus meiner Sicht überraschend ist der Regiepreis. Das Regie-Duo Tzu-Hui Peng und Ping-Wen Wang bekam die Silberne Muschel von Jury-Mitglied Christian Petzold für CHUN XING (A journey in spring). CHUN XING ist ihr erster Langfilm und erfordert mit seiner sehr zurückgenommenen und langsamen Erzählweise einiges an Geduld von der Zuschauer:in. Peng und Wang beobachten wie der meist übel gelaunte Misanthrop Khim-Hok erst durch den Tod seiner Frau langsam eine emotionale Beziehung zu seiner tatsächlichen inneren und äußeren Situation aufbauen kann.

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(von links nach rechts) Regisseur Kei Chika-Ura mit Tatsuya Fuji mit Festivaldirektor José Luis Rebordinos vor der Premiere von GREAT ABSCENCE

Sehr bewegend war die Übergabe des Preises für den besten Darsteller, der ex-aequo vergeben wurde. Der Preis ging zu einem an Marcelo Subiotto für seine Darstellung des Philosophieprofessor Marcelo Pena im argentinischen Wettbewerbsbeitrag PUAN (siehe festivalblog-Kritik). Zum anderen wurde der Preis an Tatsuya Fuji verliehen. Er spielt in dem bewegenden japanischen Film GREAT ABSCENCE (siehe festivalblog-Kritik) von Kei Chika-Ura den an Demenz erkrankten Yohji.

Tatsuya Fuji ist alles andere als ein Unbekannter. Er hat vor fast 50 Jahren die Hauptrolle in AI NO KORIDA (Im Reich der Sinne) von Nagisa Oshima gespielt (siehe festivalblog-Kritik). Der Film hatte damals u.a. auch auf der Berlinale wegen seiner expliziten Sex-Szenen für einen Skandal gesorgt. Tatsuya Fuji war bei Übergabe des Preises in San Sebastian sichtlich gerührt. Dankbar erzählte er von dem Moment, als nach der Premiere von GREAT ABSSENCE das Licht im Kino des Kursaals anging und die Menschen sich zu langanhaltenden Standing Ovations erhoben. Ich saß bei der Premiere nur zwei Reihen unter Tatsuya Fuji und Regisseur Kei Chika-Ura. Es war sehr bewegend zu sehen, wie fassungslos beide über diese Zuneigung des Kinopublikums waren.

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30.09.23 18:02

GREAT ABSENCE von Kei Chika-Ura

Filmstill Great Abscence

Takashi ist Schauspieler und lebt mit seiner Frau in Tokio. Zu seinem Vater hat er seit zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr. Seit der Vater damals wegen einer anderen Frau Takashi Mutter verlassen hat, herrscht Funkstille zwischen Vater und Sohn. Dieser Zustand ändert sich abrupt, als Takashi während einer Theaterprobe einen Anruf von der Polizei erhält, die ihm mitteilt, dass sein Vater nach einem vorgetäuschten Notruf in ein Heim für Demenzkranke eingeliefert wurde und dringend Hilfe benötigt. Widerwillig macht sich Takashi auf die Reise in eine Vergangenheit, die er am liebsten vergessen würde.

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Erste Preise SSIFF 2023

Filmstill aus LA SOCIEDAD DE LA NIEVE
Filmstill aus LA SOCIEDAD DE LA NIEVE

Die ersten Preise auf dem SSIFF stehen bereits fest. Das Publikum hat den spanischen Film LA SOCIEDAD DE LA NIEVE (Society of the snow) von J.A. Bayona als besten Film ausgewählt. Ein weiteren Publikumspreis gibt es für den besten "europäischen Film". Diesen bekommt IO CAPITANO (I'm captain') von Matteo Garrone. Der TCM Youth Award geht an LA ESTRELLA AZUL (The blue star) von Javier Macipe. Die Filmkriter:innen haben aus den Wettbewerbsfilmen FINGERNAILS von Christos Nikou ausgewählt und ihm den FIPRESCI Preis verliehen.

Die Hauptpreise, Goldene Muschel für den besten Film (Concha de Oro), die Silberne Muscheln (Conchas de Plata) für die beste Regie, die beste Hauptdarsteller:in, die beste Nebendarsteller:in, die beste Kamera und und das beste Drehbuch werden heute Abend (Samstag, 30.09.2023) auf der Gala im Kursaal 1 vergeben. Das Fest schließt mit dem biographischen Film über Samuel Beckett DANCE FIRST von James Marsch.

28.09.23 19:46

SSIFF 2023: FINGERNAILS von Christos Nikou

Filmstill mit den Hauptfiguren Anna und Amir

"Love hurts, love scars, love wounds...ooh, ooh, love hurts" dieser alte Hit der Rockgruppe Nazareth könnte das musikalische Motto von "FINGERNAILS" von Christos Nikou bilden. Es geht in dem tragisch-komischen Science-Fiction-Film um nicht weniger als die Suche nach der wahren Liebe und um all die Dinge, die Menschen bereit wären, dafür zu tun.

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SSIFF 2023: MEMORY von Michel Franco

Jessica Chastain und Michel Franco auf einer Loge des Theaters im Scheinwerferlicht, nach der Filmvorführung
Jessica Chastain und Michel Franco nach der Filmvorführung

In San Sebastian ist man nicht nur dem Meer, sondern auch den Sternen sehr nah. Als einer der wenigen US-Filmstars ist Jessica Chastain zusammen mit dem mexikanischen Regisseur Michel Franco zum Filmfestival an die baskische Atlantikküste gekommen. Zusammen stellten sie ihren Film MEMORY vor, der erst kürzlich in Venedig seine Premiere hatte. Franco und Chastain gaben zwar keine Pressekonferenz.

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SSIFF 2023: THE BLUE STAR von Javier Macipe

Menschen sitzen familiär in der Sonne an einem langem Tisch, mehrere Männer haben eine Gitarre


THE BLUE STAR ist Javier Macipes Hommage an den früh verstorbenen spanischen Musiker Mauricio Aznar, der mit seiner Band Más Birras als wichtigster Vertreter der Rockmusik aus Aragon gilt. Auch wenn Aznar heute außerhalb Spaniens nicht mehr bekannt ist, in seiner Heimatstadt Zaragosa war er so prominent, dass dort eine Straße nach ihm benannt wurde. THE BLUE STAR setzt in einer Phase von Mauricio Aznars Leben ein, in der er künstlerisch bereits sehr erfolgreich war, im Privatleben aber mit Krisen und Drogenproblemen zu kämpfen hatte. Als Ausweg versucht er auf einer Reise durch Argentinien auf den Spuren seines musikalischen Idols, dem argentischen Gitarristen Atahualpa Yupanqui, neue Inspiration zu finden. Hier trifft Mauricio in Santiago del Estero auf einen einheimischen Folkloremusiker, der ihn in die eigene Familie aufnimmt und nach und nach als Lehrmeister mit den Geheimnissen der argentinischen Chacalera-Musik vertraut macht. Trotz großer biografischer Unterschiede entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Musikern.

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27.09.23 19:39

SSIFF 2023: THE SUCCESSOR von Xavier Legrand

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Das Publikum in San Sebastian ist einfach begeisterungsfähig, auch bei Filmen, die quer zu jeder Erwartungshaltung liegen wie THE SUCCESSOR von Xavier Legrand. Wie ein Spalier steht das Publikum nach der Vorstellung in der Eingangshalle des Kursaals und hört nicht auf zu klatschen. Eine Regisseur:in, die hier mit ihrem Film Premiere feiert, fällt in ein Bad von Wohlwollen und offenen Armen. Die malerische Kulisse mit Sonne, Strand und Meer tut ihr übriges. Auch ich kann nicht verhehlen, dass ich sehr erleichtert bin, als ich nach der Vorstellung durch das Fenster des Kursaals die Weite des Meers sehen kann und mich, als ich nach draußen trete, die Sonnenstrahlen treffen. Legrands Film hat den Kinosaal noch dunkler gemacht, als er ohnehin schon ist.

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SSIFF 2023: PUAN von María Alché und Benjamín Naishtat

puan filmstill

Schulen und Universitäten bieten seit jeher als abgeschlossener Mikrokosmos einen idealen Ausgangspunkt für fesselnde Filmstoffe. Man denke nur an den aktuell preisgekrönten Film DAS LEHRERZIMMER von Ilker Çatak, der den Kleinkrieg in einem Lehrerkollegium zum Thema hat oder an die erfolgreiche Netflix Serie DIE PROFESSORIN, die sich mit den Machtspielen an einer Eliteuniversität beschäftigt. In PUAN nehmen uns die Regisseure María Alché und Benjamín Naishtat mit an eine Universität in Buenos Aires im Stadtteil Puan und wir verfolgen den zähen Kampf zweier Philosophieprofessoren um die frei gewordene Stelle an der Spitze des Lehrstuhls. Wie nebenbei bietet der Film dazu auch noch philosophische Diskurse über die großen Fragen des Lebens und kombiniert das alles in einer unwiderstehlichen Mischung mit jeder Menge Gags und Slapstick.

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SSIFF 2023: UN AMOR von Isabel Coixet

Andreas zieht Nat an sich heran, um sie zu küssen

Vielleicht ist es der Widerwille, der UN AMOR interessant machen wird. Ich bin mir noch nicht sicher. Ich jedenfalls möchte nicht an die Liebe zwischen der jungen Nat und dem viel älteren, bulligen und behaarten Andreas, den alle nur "El Aleman" nennen, glauben. Aber die Geschichte funktioniert und daraus entsteht eine Spannung.

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26.09.23 18:23

SSIFF 2023: Filmgespräch mit Christian Petzold

Christian Petzold und Moderatorin des Filmgesprächs

Ich könnte nur dasitzen und zuhören. Mindestens für die Dauer eines Kinofilms. Wenn Christian Petzold wieder einmal auf einer Berlinale-Pressekonferenz seinen neuesten Film vorstellt und seine Geschichten und Assoziationen Funken schlagen, erliegt man leicht der Faszination dieses "eins sein" zwischen dem, was er sagt, und dem, was er als Filmemacher macht. Es ist ein Strom von Energie, aus dem dann Filme wie UNDINE, YELLA oder ROTER HIMMEL entstehen. Wenn Petzold seine Geschichten dazu auch noch zu Ende erzählen kann, wie beim Filmgespräch vor Filmstudent:innen in San Sebastian, dann ist die Wirkung noch stärker.

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SSIFF 2023: EX-HUSBANDS von Noah Pritzker

Filmstill Ex-husbands, drei Männer in schwarzen Anzügen sitzen auf der Rückbank eines Autos

Drei Generationen von Vätern und Söhnen einer Familie müssen sich in EX-HUSBANDS mit Verlusten, Trennungen und der Suche nach neuer Identität auseinandersetzen. Der Film beginnt mit einer großartigen Szene im Kino, in der der sechzigjährige New Yorker Zahnarzt Peter von seinem achtzigjährigen Vater erfährt, dass sich dieser nach vielen Jahrzehnten Ehe von Peters Mutter scheiden lassen will. Während Peter vollkommen entsetzt auf diese Mitteilung reagiert, freut sich sein Vater sichtlich auf die kommenden Abenteuer mit den neuen Frauen, die seiner Ansicht nach in großer Anzahl auf ihn warten. Und als wäre dieser Schock noch nicht ausreichend, muss sich Peter widerwillig auch mit dem endgültigen Scheitern der eigenen Ehe abfinden, eine Tatsache, die ihn vollkommen hilflos macht. Da kommt ihm der bevorstehende Junggesellenabschied seines ältesten Sohns in einem Urlaubsort in Mexiko als Ablenkung gerade recht. Ohne eingeladen zu sein, fliegt er an den gleichen Ort wie seine beiden Söhne und ihre Freunde und betätigt sich als väterlicher Partycrasher, der erkennen muss, dass es nicht nur im eigenen Leben so manche Baustelle gibt.

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24.09.23 19:42

San Sebastian Filmfestival 2023

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Nach vielen Jahren kehrt festivalblog wieder an seine Ursprünge zurück. Das San Sebastian Filmfestival von 2004 war die Geburtsstunde von festivalblog. Begeistert wurden damals Filme von Woody Allen (MELINDA AND MELINDA), Oliver Stone (LOOKING FOR FIDEL) und Michael Winterbottom (NINE SONGS) besprochen. Gekommen waren auch John Sayles, Jeff Bridges und Pedro Almodovar. Mich hat von Anfang an beeindruckt, wie nah man den Menschen hinter den Filmen kommt.

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Bevorstehende Festivals

San Sebastian International Film Festival

22.09.2023 - 30.09.2023

San Sebastian, Donostia, Spanien

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Internationale Hofer Filmtage

24.10.2023 - 29.10.2023

Hof, Deutschland

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Sundance Film Festival

18.01.2024 - 28.01.2024

Sundance, USA

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Berlinale - Internationale Filmfestspiele Berlin

15.02.2024 - 25.02.2024

Berlin, Deutschland

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