Wo Frikadellen noch Buletten heißen

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"Jagdhunde" von Anne-Kristin Reyels (Forum)

Ein schöner Film, der die Irrungen und Wirrungen einer Berliner Familie im Mecklenburger Exil zeigt

Wenn Berliner nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen, dann kann es schon mal vorkommen, dass sie sich wundern. „Du Papa, wie lange dauert das denn, bis die anfangen mit uns zu reden?“, fragt der Teenager Lars denn auch seinen Papa. Der weiß das auch nicht so genau, baut aber trotzdem fleißig weiter an seiner „Hochzeitsscheune“ und wartet halt mal ab, wie sich das mit den verschrobenen Dorfbewohnern so entwickelt. Anne-Kristin Reyels „Jagdhunde“ ist ein Film der leisen Töne, in dem eigentlich tragische Situationen mit einem ganz feinen Humor dargestellt werden. Und der ist nicht zuletzt dem begnadeten Josef Hader zu verdanken, der hier den Loser-Papa im ostdeutschen Exil gibt.

Weihnachten steht vor der Tür, und so fällt es noch stärker ins Gewicht, dass Lars Familie zurzeit ein wenig desolat dasteht. Mama und Papa vertragen sich nicht mehr so toll, und dann steht auf einmal auch noch Tante Jana in Papas Oberhemd gewandet in der Küche. Lars verbringt seine Zeit deshalb lieber mit seinen beiden Hunden und außer Haus. Zum Glück trifft er Marie. Sie ist taubstumm, aber richtig gut drauf. Gemeinsam spielen die beiden mit eine Riege älterer Dorfdamen Ping Pong, sie schlittern über den zugefrorenen See und frönen der mecklenburg-vorpommernschen Variante des Kinos – aus einem Flugzeugwrack heraus Wildtiere beobachten. Constantin von Jascheroff und Luise Berndt spielen dieses junge Pärchen, dass sich ganz langsam und vorsichtig an die erste Liebe herantastet wunderbar ungekünstelt.

Unterdessen lernt der Papa die Gebräuche der Dörfler kennen. Ein frisch geschossener Hase ist eben ein prima Willkommensgeschenk, und der Papa zeigt dann auch nur einen kleinen Augenblick lang diese unverwechselbare fassungslose Hader-Visage, bevor er sich wieder fängt und gute Mine zum seltsamen Spiel macht. Nur einmal, da brennen ihm dann wirklich fast die Sicherungen durch. Knapp von der Kugel eines Jagdgewehrs verfehlt, herrscht er den Schützen an: „Ist mir ganz egal, ob in diesem bekloppten Kaff irgendjemand mit mir redet, aber ganz sicher lass ich mich nicht hier im Wald von einem Frikadellen-Brater abknallen!“ Worauf der lapidar entgegnet: „Frikadellen heißen hier immer noch Buletten.“

Am Weihnachtsabend kommt ganz überraschend die Mama vorbei, und sie hat einen neuen Freund im Schlepptau. Der kann zwar sehr schön ganz herzzerreißende Lieder singen, gewinnt aber dennoch nicht das Herz von Papa und Sohn. Ein ungenießbarer Hase tut das übrige, um die Feststimmung zu verderben. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass die diversen Spannungen wahnsinnig lange nicht eskalieren, sondern immer weiter vor sich hinköcheln. Die Erwachsenen in diesem Film sind nicht wirklich in der Lage, ihre Konflikte offen auszutragen. Lieber wird solange unter den Teppich gekehrt, bis allen die ganze Soße um die Ohren fliegt.

Mit wunderschönen Bildern, großartigen Hauptdarstellern und einem ganz feinen Gespür für die Humor im allgemeinen und die Verschrobenheit der Mecklenburger im besonderen ist „Jaghunde“ ein wirklich schöner Film geworden. Da hätte es das allzu dramatische Ende – wo man sich dann auch fragt, was das eigentlich soll – überhaupt nicht gebraucht.

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Titel

Orignaltitel

Jagdhunde

Englischer Titel

Hounds

Credits

Regisseur

Ann-Kristin Reyels

Schauspieler

Luise Berndt

Judith Engel

Josef Hader

Marek Harloff

Constantin von Jascheroff

Ulrike Krumbiegel

Sven Lehmann

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2007

Dauer

86 min.

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